Jedes Jahr findet im November in Telford die nationale Ausstellung des IPMS Großbritannien statt. Sie gilt als größtes Event in Europa und natürlich wollten wir das mal sehen und erleben. Für mich war es eher ein Wiedersehen, da ich vor ca. 20 Jahren schon einmal an der Ausstellung teilgenommen hatte. Die Planung lief über ein Jahr und es fanden sich fünf Modellbauer (Thomas, Uni, Peter, Michael und ich) zusammen um gemeinsam auf diese Expedition zu gehen. Am 8. November dieses Jahres war es dann endlich so weit.
Los ging es für uns wirklich früh – um kurz nach vier Uhr klingelte der Wecker und drieviertel fünf ging es los in Richtung Flughafen. Nach Passieren der Pass- und Sicherheitskontrolle gegen halb sieben gab es erst mal Kaffee und ein kleines Frühstück. Der Flug nach Birmingham war kurz und etwas nach acht (Ortszeit) waren wir da. Dann wurden wir von Peter eingesammelt und es ging mit dem Auto auf der falschen Straßenseite (der erste Kreisverkehr ist immer der schlimmste) Richtung RAF-Museum Cosford. Das Museum liegt etwa 15 km vor Telford auf einem alten Fliegerhorst und bietet vier große Hangars voller (hauptsächlich) britischem Fluggerät. Wir kamen etwas vor der offiziellen Öffnungszeit an und haben uns erst mal die Zeit mit den Außenexponaten vertrieben. Das Eintritt ist – wie bei allen staatlichen Museen in Großbritannien – kostenlos. Aber natürlich wurde eine kleine Spende dagelassen. Schwerpunkt der Sammlung ist der zweite Weltkrieg und die Zeit des kalten Krieges. Einige der Ausstellungsstücke sind dabei echt einzigartig: es gibt z.B. eine Nachtjäger Ju 88, eine Me 410, eine Avro Lincoln, alle drei V-Bomber (Vulcan, Valiant und Victor) und sogar eine TSR.2 und eine Fairy Delta. Die Präsentation – besonders im Hangar mit den Flugzeugen aus den fünfziger bis siebziger Jahren ist spektakulär. Teilweise hängen die Jets kopfüber an der Decke oder stehen senkrecht scheinbar auf ihren Triebwerken.
Das Museum hielt uns dann bis zum frühen Nachmittag beschäftig – aber irgendwann konnten wir nicht mehr und es ging weiter nach Telford. Nach einem kurzen Zwischenstopp an Tankstelle und Supermarkt haben wir dann am frühen Abend unsere Hotelzimmer in Ironbridge (einem Vorort von Telford) bezogen. Dann noch für ein schönes Abendbrot ins angeschlossene Restaurant (gehobene Pub-Küche) und dann ging es auch schon ins Bett. Der Tag war lang genug.
Morgens ging es schon vor acht wieder los. Zunächst mit einem Abstecher zur großen Sehenswürdigkeit des Ortes: der namensgebenden Eisenbrücke von 1779, die nicht nur eine Ikone der industriellen Revolution sondern auch Weltkulturerbe ist. Der Ort selbst ist eingezwängt ins Tal des Severn und… Very british.
Dann ging es mit dem Auto in Richtung Stadtzentrum/Ausstellungshalle. Aber bevor es ins Getümmel ging, haben wir uns erst mal gestärkt. Ich mit einem „Full Englisch breakfast“ inklusive Bohnen, Speck, Würstchen, Eiern und „blood pudding“. Hmm…
Die Ausstellungshallen waren dann fußläufig zu erreichen. Einerseits waren wir etwas zu früh (der Einlass begann erst eine Viertelstunde später als angekündigt). Andererseits auch etwas zu spät – die Warteschlange hatte schon Ausmaße erreicht wie die Schlange vor dem Lenin-Mausoleum in seinen besten Zeiten. Na ja, als wir dann endlich die Einlasskontrolle erreicht hatten (es ging dann plötzlich doch ganz schnell) strömten uns schon die ersten Modellbaukollegen mit erlegter Beute in Form riesiger Bausatzkartons im Format einer 1:32er Lancaster entgegen.
Der erste Eindruck: überwältigend. Drei riesige Hallen voller Aussteller, Händler und Hersteller. Wer schon mal in Moson war, kann das einfach im Kopf mit drei multiplizieren. Vielleicht auch vier… Auf jeden Fall so viel, dass man sich erst einmal einen Überblick verschaffen musste. Zum Glück gibt es eine kleine Empore die einen Überblick über wenigstens zwei der Hallen bietet.
Danach wurde das Areal (mehr oder weniger) systematisch abgelaufen. Praktisch jeder Modellbauverein aus Großbritannien war vor Ort, dazu als internationale Aussteller IPMS-Vereine aus anderen Ländern. Als britische Besonderheit gab es auch Stände von „Special interest groups“ (SIGs) in denen sich vereinsübergreifend Modellbauer mit gemeinsamen Interessengebieten zusammenfinden. Einige der großen Hersteller (Airfix natürlich, Revell, Eduard, Special Hobby, HK Models und noch einige mehr) waren auch mit Stränden vertreten. Dazu kamen unzählige kleine Hersteller und große und kleine Händler. Hier konnte man das eine oder andere Zubehör, Buch oder Werkzeug kaufen, von dem man manchmal nicht einmal wusste, dass es das (noch) gibt. Große Einkäufe waren wegen unseres begrenzten Gepäcks natürlich nicht drin – dafür aber jede Menge „Kleinkram“. Interessant war, dass doch es einige Händler mit echt alten Bausätzen gab. Nicht nur seltene Klassiker sondern auch Produkte die besser dem Vergessen anheimfallen sollten wie obskure Vaku-Kits aus den Achtzigern.
Der Tag war anstrengend und inklusive einer kleinen Mittagspause im Pub hatten wir am Ende des Tages etwa zwei Drittel der Ausstellungsfläche geschafft und lagen damit soweit ganz gut im Plan. Also Zeit für die Rückfahrt in die Unterkunft und noch mal das leckere Pub-Essen…
Sonntagmorgen musste auch schon das Gepäck fertig gemacht werden (mit erstem Check wie viel Platz für Einkäufe noch ist), dann noch mal ein kleiner Abstecher zur Brücke, Auschecken und noch mal da die volle englische Frühstücksdröhnung.
Am Sonntag gab es keine langen Schlangen und so ging es schnell in die Halle. Der zweite Sonntag im November ist in Großbritannien „Rememberance Sunday“, an dem überall im Land der in den beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten gedacht wird. In der Halle gab es pünktlich elf Uhr eine kleine militärische Zeremonie mit Trompetensignal und zwei Schweigeminuten zur Erinnerung an die Opfer.
Am Sonntag wurde dann auch der Wettbewerbsbereich geöffnet und man konnte sich ansehen, welche Modelle im Wettbewerb vertreten waren und was die Siegermodelle in den einzelnen Klassen waren. Gemessen an der Größe der Veranstaltung war der Wettbewerb eher überschaubar. Das modellbauerische Niveau war jedoch hoch und es gab einige sehr interessante Modelle zu sehen. Nach der Besichtigung dieses Teils der Show war unsere Zeit fast um. Nur noch die letzten Pfund-Scheine gegen ein schönes Buch eintauschen und schon mussten wir uns am frühen Nachmittag auf den Rückweg nach Birmingham machen da unsere Rückflüge schon am späten Nachmittag geplant waren. Geneinsam mit Uni ging es nach München und dann noch den kurzen Flug nach Dresden und kurz nach Mitternacht waren wir wieder zuhause. Hier gab es dann auch endlich das berüchtigte englische Wetter (Nebel)…
MS